Darum sollte man Pferden öfter aufs Maul schauen
Habt Ihr schon einmal probiert, Eure Zähne bzw Ober- und Unterkiefer ganz fest aufeinander zu pressen? Wenn nicht, dann macht es mal – und hört in Euren Körper hinein: Wie geht’s Euch dabei, welche Emotionen verbindet Ihr damit? Seid Ihr entspannt und glücklich oder eher – im wahrsten Sinn des Wortes – „verbissen“ und verkrampft? Ihr werdet merken, dass genau das der Fall ist: Euer ganzer Körper wird fest und starr und ist weit davon entfernt, locker, gelöst und entspannt zu sein. Und ein zufriedenes Lächeln braucht man in diesem Zustand gar nicht erst versuchen.
Schön und gut – aber was hat dieser Selbstversuch mit unseren Pferden zu tun?
Sehr viel, wie ich meine: Jeder hat schon mal den Begriff „Losgelassenheit“ in Bezug auf Pferdeausbildung gehört. In der FN wird sie derart beschrieben: unverkrampftes An- und Entspannen der Muskulatur, bei innerer Gelassenheit Und jetzt mal ganz ehrlich: Konntet ihr – bei aufeinander gepresstem Ober- und Unterkiefer – ein Gefühl der inneren Gelassenheit verspüren?
Was ich sagen will: Es wird leider immer noch viel zu wenig auf das Maul des Pferdes geachtet, obwohl es so viel verrät und beim Reiten so wichtig ist. Dabei sollte man seinen Focus aber nicht nur „aufs Maul“ allein richten: Auf der Stirn gibt es den sogenannten Musculus temporalis, auf Deutsch den Schläfenmuskel. An dem kann man u.a. erkennen, wie es mit dem „Verbissen-Sein“ steht. Seine Aufgabe ist es nämlich, den Unterkiefer anzuheben bzw. den Kiefer zu schließen.
In diesem Zusammenhang möchte ich Euch von einer Begebenheit erzählen, die für mich ein echtes Aha-Erlebnis wurde: Mein Urlaub stand vor der Tür, und eine liebe Bekannte erklärte sich bereit, mit meiner Stute jeden Tag ein paar Runden Schritt am Halfter zu drehen. So hätte sie Bewegung und auch gleich ein bisschen Ansprache dazu (natürlich kommt sie zusätzlich noch auf die Koppel) – ich war erfreut und damit einverstanden.
Nach einer wirklich erholsamen Zeit, nahm ich das Training mit meiner Stute wieder auf. Bei einem kleinen Check zu Anfang – wie ich ihn nach jeder längeren Unterbrechung mache – sprang mir sofort etwas ins Auge: Die zwei Schläfenmuskeln waren viel deutlicher und kräftiger ausgebildet als zuvor. Anfangs konnte ich mir keinen Reim machen – was war passiert? Denn sie wurde ja nur am Halfter Schritt geführt.
Auf die Lösung des Rätsels kam ich, als ich das Maul meiner Stute näher unter die Lupe nahm: Denn ihre Kiefer waren förmlich wie ein Schraubstock fest aufeinander gepresst (na, eine echte Stute halt, dachte ich mir). Anscheinend fand sie meine Idee, sie im Urlaub von einer anderen Person am Halfter führen zu lassen, nicht so genial, wie ich ...
Nach ein paar Tagen wurde auch alles wieder entspannter – das Problem löste sich buchstäblich von selbst. Doch dieses Erlebnis bleibt mir sicher ewig in Erinnerung und zeigt, dass Pferde manchmal anders denken und auf Veränderungen anders reagieren als wir. Offenkundig war sie mit der ,Urlaubs-Vertretung‘ ganz und gar nicht einverstanden – und hat deshalb, wörtlich und bildlich, „zugemacht“, und das mit aller Kraft.
In diesem Sinne: Macht öfter mal einen Blick Richtung Pferdemaul bzw. startet den eingangs geschilderten Selbstversuch!