Wie ich lernte, im Umgang mit dem Pferd ruhig zu sein
Jeder von uns kennt die Worte: „…..nur noch schnell….“ Oder „…warte, ich mach das noch fertig ….“ Als ob alles auf Knopfdruck funktionieren müsste. Auch von unseren Pferden erwarten wir, dass sie auf Knopfdruck bei uns sind – aber wenn wir ehrlich sind, ist diese Erwartung nicht sehr realistisch, denn alles benötigt in Wahrheit seine Zeit.
Ich durfte es am eignen Leib erfahren. Ich liebe meine Arbeit und die Beschäftigung mit den Pferden lässt mich auch immer zur Ruhe kommen und im Hier und Jetzt sein. (Kein Wunder, ich hatte ja den besten Lehrmeister, den man sich nur vorstellen konnte bzw kann sie ist ja immer noch an meiner Seite: meine Stute Fabiola – liebevoll Puppi genannt.)
Doch meine Arbeit besteht nicht nur aus dem Tun mit dem Pferd – nein, es gehört auch drumherum jede Menge dazu. Ja auch das liebe ich (zugegeben: das eine mehr, das andere weniger).
Um jetzt nicht lange herumzureden: Mein Körper hat mir gezeigt, dass alles langsamer genauso funktioniert, wenn nicht sogar leichter. Zusätzlich kam auch noch das nette Virus auf Besuch – und da war sie, die Bremsung. Jetzt hatte ich Zeit für Entspannungsmusik und auch viel Zeit, manche Dinge neu zu überdenken.
Meine Erkenntnis: Es ist für uns alle soviel los im Außen, dass wir eine Ruhe-Oase in unserem Inneren brauchen – nicht nur wir, sondern auch unsere Pferde!
Den Anfang müssen aber wir setzen. Denn Pferde sind Herdentiere und synchronisieren sich. Dieses Phänomen hat sicher jeder von Euch schon mal erlebt. Je nach Pferd und Charakter fällt diese Reaktion stärker oder auch weniger stark aus.
Wie ich gelernt habe, im Umgang mit dem Pferd ruhiger und entspannter zu sein? Das ist ganz einfach: Unser Gehirn kann nicht zwei Dinge zugleich denken, es gibt nur einen Gedanken! Auch wenn es immer heißt Frauen sind multitaskingfähig. Das spreche ich nicht ab, doch auch wir Frauen, können nur an eine Sache denken (naja, vielleicht viele hintereinander…) Also musst du nur den Fokus auf einen Gedanken legen. Und das ist nicht: „…mein Pferd bockt gleich los…“ oder „…dort ist ein Traktor……“ Nein – du legst den Fokus z.B. auf die Linie, die du gehst, mit voller Konzentration auf deinen Atem, auf die Linie, die du reitest (vgl. auch meinen Blog „Geplantes Chaos – und wie man es meistert“).
Und wie bringe ich meinem Pferd Entspannung bei – idealerweise auf Knopfdruck? Nun – auf Knopfdruck erfordert zwar ein bisschen Übung, aber es ist machbar!
Es gibt sicher viele Wege und Möglichkeiten, das umzusetzen – ich möchte Euch hier ein paar vorstellen, jeweils mit Vor- und Nachteilen. Sie basieren auf dem Gedanken, dass sich das Pferd in seiner Fresshaltung /Grasehaltung (manchmal auch als ,Friedenshaltung‘ bezeichnet) von Natur aus entspannt.
- Man legt seine Hand auf die Region hinter den Ohren, übt hier ein bisschen Druck in die Richtung, dass das Pferd seinen Kopf absenkt, aus und wartet, bis man eine Antwort bekommt. Zuerst bin ich sanft quasi mit der Intention „Würdest Du bitte“, erst in der Folge darf ich etwas mehr Druck aufbauen mit „ich bitte Dich“, dann noch etwas mehr Druck quasi „bitte jetzt“ und als letzter Schritt „Jetzt“.
Löse den Druck sofort, wenn Du eine Antwort in die richtige Richtung bekommst!!!
Das gleiche Prinzip kannst Du auch mit Zug auf den Strick bzw Knotenhalfter machen, indem Du Strick oder Halfter zwischen Daumen und Zeigefinger nimmst und den Weg nach unten weist.
ACHTUNG: Knotenhalfter bestehen aus Seilen und haben wenig Auflagefläche, dadurch kommt es zu einem punktuelleren Druck. Ist ein Pferd sehr verspannt in dieser Region, kann es zuerst einmal zu einer Gegenreaktion kommen. Obwohl genau diesem Pferd Entspannung besonders gut täte, sollte man hier evtl. einen alternativen Weg einschlagen und es z.B. mit der Hand und eventuell mit dem Locken (Kraueln an den Lippen oder auch einer Karotte) versuchen. - In mehreren Zeitschriften lese ich jetzt immer öfter, dass das Umfassen des Oberarmkopfmuskels das Pferd animiert, den Kopf zu senken. Dieser Muskel setzt am Kiefergelenk an und zieht zum Oberarm. Wenn das Pferd vor Aufregung seinen Kopf hebt und in Aufregung ist, drückt es seine Halswirbelsäule nach vorne (im Reiterjargon hört man dann oft: „Jetzt sieht man den Unterhals“), so ist der Oberarmkopfmuskel gedehnt. Animiert man durch das Umfassen diesen Muskel, sich zu kontrahieren, senkt das Pferd den Kopf, da die Funktion dieses Muskels bei stehendem Vorderbein (!!Vorderbein als Punktum!!) die Funktion des Halsbeugens hat.
ACHTUNG: Dieser Muskel ist ein Kennmuskel von Zahn- und Schulterbeschwerden und verspannt sich bei diesen. Auch hier kann es, obwohl gutgemeint, zu Gegenreaktionen kommen.
Ihr seht die Dinge sind gut gemeint, den ohne Entspannung gibt es kein ehrliches Weiterkommen. Doch man sollte sich im Klaren sein, wie ich etwas ausführe und was ich damit erreichen will.
Einen Tipp geb ich Euch unbedingt noch: Man kann diese Entspannungshaltung mit einem Kraulen am Widerrist verankern. Dann reicht letztendlich das Kraulen an dieser Stelle und ich bekomme die Entspannungshaltung geschenkt.
Das Schönste ist jedoch, wenn sich beide Körper – sowohl der menschliche als auch der „pferdische“ – synchronisieren: Ich bin entspannt, also ist es auch mein Pferd – doch bis dahin ist es ein Stück Weg. Ich hoffe, ich konnte Euch ein paar wertvolle Tipps mit in Euer Pferdeleben geben. Warum meine Stute sich entspannt, wenn ich pfeife, verrate ich Euch ein anderes Mal.